Rückbau Deutsche Welle – Eine Retrospektive
2015 – 2022

Text: Jan Glisman, Foto Header: Niclas Weber

Das Projekt Rückbau deutsche Welle transformierte Europas größte Abrissbaustelle in ein Kunstprojekt über sieben Jahre.

Ursprünglich gab es zwar Funktürme am Raderberggürtel in Köln, die in unmittelbarer Nähe zu einander auf einer Fundamentplatte gebaut wurden. Die eine Sendestation beherbergte den Sender der Deutschen Welle in Köln, das andere Gebäude war der Funkturm des Deutschlandradios.

Jan Glisman, Hybriskorrektur, Bleistift und Tinte auf Papier, digitale Kompositionen in variablen Ausführungen, 42cm x 30cm
2023

Ich wollte näher dran, am liebsten die Druckwelle fühlen und sehen, was im Gebäude vor sich geht.

Anfänglich in 2015 ging es um die Sprengung einer der beiden Sendestationen, der ehemalige Funkturm der Deutschen Welle in Köln.  Es sollte die größte Sprengung werden, die in Europa innerhalb eines Stadtzentrums bisher durchgeführt wurde. Aus dieser Sprengung wollte ich ein Kunstprojekt machen. Das fand ich spannend, das fand ich interessant. Kölns dritthöchstes Gebäude, ein 138 meter hoher Funkturm, der durch eine Knickfall- Sprengung in wenigen Sekunden zu Fall gebracht wird. Es sollten zigtausende Menschen kommen, um das 138 Meter hohe Gebäude fallen zusehen. Und das alles in meiner Stadt, bei mir um die Ecke. Diese Vorstellung inspirierte mich, vor allem nachdem ich bei der Sprengung des AFE-Turms in Frankfurt 2014 sowie bei der Sprengung des Bonncenters 2017 in unmittelbarer Nähe dabei war und alles filmisch dokumentierte. Das war jedoch nach meiner Ansicht nicht ausreichend. ich wollte näher dran, am liebsten die Druckwelle spüren und sehen, was im Gebäude vor sich geht. Selbst Teil des Einsturtztes zu werden, doch wozu? Wollte ich mich umbringen?

Den Urknall spüren, um mich wieder mit der Energie dieses Planeten zu verbinden.

Nein, ganz im Gegenteil, ich wollte neu geboren werden, alles hinter mir lassen was mich davon abhält meine künstlerische Botschaft an mein Publikum in der reinsten Form zu übermitteln. Den Urknall spüren, um mich wieder mit der Energie dieses Planeten zu verbinden. Und ich wollte das allen Menschen ermöglichen, die meine künstlerischen Arbeit sehen. Und das am besten alles live, alles in Gemeinsamkeit, so wie als wenn wir bei der Entstehung unseres Planeten selbst live dabei wären. Damit wir uns wieder an die Urkraft erinnern, die uns hat entstehen lassen, und die uns auch letztendlich auflösen wird.

Jan Glisman, Hybriskorrektur, Bleistift und Tinte auf Papier, digitale Kompositionen in variablen Ausführungen, 42cm x 30cm
2023

Das ist die Intention, die sich hinter meinen Schaffen immer deutlicher abzeichnet

Bei einem Zerstörungs.- bzw. Enstehungsprozess live dabei sein.  Zusammen mit anderen menschen, die dasselbe erleben, und doch anders berührt sind.  Und alle eint eine ähnliche, tiefe und ursprüngliche Emotion. In den Menschen diese Emotionen zu wecken, das ist mein Anliegen, das mich seit langer Zeit antreibt, das ist die Intention, die sich hinter meinen Schaffen immer deutlicher abzeichnet

Besessen von einem Konzept

Und wie sollte das vor sich gehen, den Zuschauern zu zeigen, was in dem Gebäude passiert, ohne dass ich unter Tonnen von Trümmern begraben werde? Ich entschied mich für die Aufstellung von Kameras, nicht wie sonst vor dem Gebäude sondern diesmal sollten die Kameras IM Gebäude aufgestellt werden. Es war die Installation von zahlreichen Kameras geplant, die auf mehreren Stockwerken aufgestellt werden sollten. Alle Kameras sollten miteinander verbunden sein und die Daten sollten durch ein dickes Kabel an einen Serverrechner im Bunker unter dem Gebäude übermittelt werden, bevor die Kameras zerstört worden wären. Wie besessen von diesem Konzept, arbeitete ich zwei Jahre an der Beantragung von Fördergeldern, der Entwicklung des Konzeptes und der Kontaktherstellung zu den Verantwortlichen des Projektes.  Die Sprengung konnte jedoch nicht durchgeführt werden, und man entschied sich für einen sogenannten Rückbau. D. h. das Gebäude sollte von oben nach unten zurückgebaut werden.  Somit entschied ich mich für eine Dokumention des Rückbaus von außen. 

Fragmente einer Baustelle und Aufnahmen eines Elektronen Mikroskopes als Grundlage für künstlerische Arbeiten

Ich stellte auf den Hochhäusern in der näheren Umgebung der Baustelle insgesamt 4 Zeitraffersysteme auf. Das es dort weder W-Lan noch eine Stromversorgung gab konstruierte ich die Kameras selbst und brachte alle 4 Wochen LKW-Batterien auf die Dächer der Hochhäusern.  Weiterhin entwickelte ich eine Drohne, mit der ich einmal wöchentlich eine  programmierte Route um das Gebäude flog. Dadurch filmte ich den kompletten Rückbau, aus immer der gleichen Perspektive aus der Luft. Ebenfalls begann ich, mich der Problematik zeichnerisch zu nähern und Begab mich auf die Suche nach dem Ursprung der ganzen Problematik, dem Asbest. In Kooperation mit dem Forschungszentrum  Jülich untersuchte ich Proben von Asbest  unter dem Rasterelektronen Mikroskop und fertigte anhand der Bilder innerhalb von 4 Monaten eine 5 Quadratmeter große Pastellzeichnung von Asbeststrukturen an. Die Arbeit wurde zusammen mit den ersten Daten der Zeitrffer und der Drohnenkameras bei der ersten von insgesamt zwei Ausstellungen im Kunstverein artrmx e.V. gezeigt, die das Projekt thematisierten.

Jan Glisman, Asbest Disco, Pastellkreide auf Papier, 260cm x 180cm, 2018, Ausstellungsansicht, Foto Niclas Weber

Jan Glisman, Asbest Disco, Pastellkreide auf Papier, 260cm x 180cm, 2018, Detailansichten Entstehungsprozess

Eine Dokumentation in 125.000 Fotos und 250 Filmen

 Bis zum Abschluss des Rückbaus im Februar 2021 produzierte ich insgesamt 125.000 Fotos und über 250 Filme mit der Drohne. In Kooperation mit der Abrissfirma stellte ich während des Rückbaus einige der farbig lackierten Fassenplatten sicher, mit denen der Funkturm der Deutschen Welle zu tausenden verkleidet gewesen ist. Dies bildete die Grundlage für die Produktion der künstlerischen Arbeiten, die ich von April bis Juli 2022 bei der Abschlussausstellung im Funkturm des Deutschlandradios in unmittelbarer Nähe der Baustelle präsentierte. Gezeigt wurden Zeichnungen, Linsenrasterdrucke, Fotografien und eine Multimediale Installation, die in Kooperation mit dem Medienkünstlern Dmitry Zakharov und der Klangkünstlerin Jiyun Park  im Deutschlandfunk Kammermusiksaal anläßlich der Finissage gezeigt wurde:

Fotos Christoph Hamacher

 Mein Herzlichen Dank an folgende Personen und Firmen, ohne deren Unterstützung dieses Projekt nicht hätte umgesetzt werden können:

Den Mitarbeitern der Wohnkompanie NRW und der Zech Group
Der Firma BST Becker und Ihren  Mitarbeitern
Frau Petra Bossinger, den Mitarbeitern der WSK-Köln und den Mitarbeitern der Firma Bartels
Den Mitarbeitern der Firma Inficon
Den Mitarbeitern des Deutschlandfunks Köln
 Anja Wülfing, Kay von Kaitz und den Mitarbeitern der Stadtrevue 
 Sebastian Wolff, Adrian Strathmeier und Jan Thielebeule
Rosemarie Glisman und  Annette Rabien
Sarah Gries und  Nahla Gries
Dmitry Zakharov, Jiyun Park 

Vielen Dank an unsere Förderer Sponsoren:
Die Wohnkompanie NRW GmbH
 BST Becker Sanierungstechnik GmbH
dem Kunstverein Artrmx e.V. mit seinen Mitarbeitern insbesondere dem Vorstand Margrit Miebach und Iren Tonoian
Kulturamt der Stadt Köln
Bezirksvertretung Köln-Ehrenfeld
Bezirksvertretung Rodenkirchen
Landschaftsverband Rheinland (LVR) 

 

Alle Informationen und Beiträge zum Projekt sind im nachfolgenden Portfolio zusammengestellt: